
Im Oktober, in der Woche vor dem letzten Bratlessen, hatte ich Besuch von Edith, einer Workawayerin von gaaanz weit weg, aus dem Hausruckviertel nämlich. Dass es trotzdem ein Erlebnis sein kann, Urlaub vor der eigenen Haustüre zu machen, lest ihr heute in ihrem Blogbeitrag. Viel Spaß bei einem weiteren Blick hinter die Kulissen von: Mosauerins bunter Kleintierfarm und Co.
von Edith
“Du kannst Workaway nutzen um mit wenig Geld Länder zu bereisen,
Sprachen zu lernen und auch deine Fähigkeiten – und nicht zuletzt deinen
Horizont – zu erweitern und neue Menschen kennen zu lernen.”
workaway.info
Genau das suchte ich. Eine Herausforderung, etwas Neues, eine fremde Kultur und exotische Menschen. Ein Ziel, dass all das vereinte, war schnell gefunden: Das Innviertel.
Die sanfte Hügellandschaft des oberösterreichischen Nordwestens ist mir (ein bisschen) fremd und doch vertraut. Denn ich bin zwar selten dort, sie ist aber die Heimat von 50 Prozent meiner Vorfahren. In meinen Adern fließen also in etwa zweieinhalb Liter original Innviertler Blut.
Zu Gast bei der “Mosauerin”
Ich graste also die Region auf workaway ab und wurde schnell fündig: Ein Pärchen suchte Unterstützung auf einem Bauernhof. Sie, Bauernhofbesitzerin und Bloggerin (schöne Kombination), Er, ITler und Teilzeit-Städter mit Bauernhofleben am Wochenende. Das klang perfekt, und so stieg ich kurz darauf mit meinen Eltern ins Auto, um mich – ganz Jungscharlager-like – von Ihnen für eine Woche im idyllischen Altheim abgeben zu lassen. Das ist keine 15 Kilometer von dem Ort entfernt, an dem mein Vater aufgewachsen ist.
Nach einer guten Stunde Fahrt stehe ich also vor einem für das Innviertel typischen Vierseithof und drücke auf die Klingel. Vor meiner Nase hängt ein Schild auf dem “Mosauer” steht. Das ist der Hausname, den mein “Host” (so heißen die Arbeitgeber auf workaway) Astrid auch für ihren Landblog verwendet. Als ich mich vor meiner Anreise durch die Onlinewelt der “Mosauerin” klickte, vermutete ich schon, dass wir uns gut verstehen würden. Eine Katzenliebhaberin mit einer Vorliebe für Schweinsbrat’l kann ja nur toll sein.
Verliebt in einen Rothaarigen
Sobald ich zum Ersten Mal die gemütliche Stube betrete, stolpere ich über meine neue große Liebe: Alfred, der Rote. Der kleine Kater ist der heimliche Herr im Haus und sorgt mit dafür, dass immer was los ist bei der Mosauerin. “Ich hab noch fünf weitere Katzen, ich hoffe, das ist kein Problem für dich”, warnt Astrid mich vor. Problem? Ich bin im Paradies gelandet.

Bei einem ersten Rundgang über den Hof stellt sie mir auch noch die anderen Hoftiere vor: Eine bunte Hühnerschar mit einem deutlichen Überschuss an ansehnlichen Hähnen und neun sehr große, sehr lebhafte Gänse. “Die dürfen hier an Altersschwäche sterben”, erklärt mir meine neue Chefin und ruft ein lautes “Wuuuuulli Wulli Wulli” in Richtung Gänse. Das heißt: Essenszeit. Ein viel schöneres Leben als bei Astrid kann eine Gans wohl nicht haben. Ums Hauseck steht ihnen sogar ein Karpfenteich zum Planschen zur Verfügung, den sie nur allzu gerne nutzen.
Daran, dass hier immer etwas zu tun ist, zweifle ich keine Sekunde. Und so starte ich am ersten Nachmittag mit einer Tätigkeit, die man eigentlich jeden Tag machen könnte: Unkraut jäten. Kurz lasse ich mir noch von Astrid erklären, welche der vielen Pflanzen als unerwünscht gelten (ich bin ein Stadtkind mit schwarzem Daumen) und dann zupfe ich munter drauflos. Als ich in der Dämmerung beherzt mit meinen dünnen Handschuhe versehentlich an einem dornigen Rosenstrauch zerre lasse ich es dann erstmal gut sein für den ersten Tag.
Gesichtsverhüllung im Hühnerstall
In Österreich herrscht ja seit Kurz(em) panische Angst vor Gesichtsverhüllungen. Das ist mir aber völlig “powidl” als ich an Tag zwei meines Bauernhof-Abenteuers vermummt den alten Hühnerstall betrete. Wer schon mal eingetrocknete Hühnerhäufchen weggekratzt hat, weiß: Do staubt’s! Ich kehre und schaufle und kratze – und wiederhole das Ganze ein paar Mal.
Der Vorher-Nachher-Vergleich ist befriedigender als so mancher 8-Stunden-Tag im Büro.
Ich klopfe mir nach getaner Arbeit zufrieden den Kacke-Staub aus den Kleidern und spüle den Rest unter der dampfend heißem Dusche hinfort. Danach fühle ich mich in der warmen Stube mit dem schnurrenden Alfred auf dem Schoß und einem Glas Prosecco in der Hand wie neugeboren.
Sechs Katzen und ein Muskelkater
Was ist eigentlich das Gegenteil von neugeboren? Naja egal, auf jeden Fall geht’s mir am nächsten Morgen so. In meinem Kreuz miaut ein Muskelkater, der mir bestätigt, dass es höchste Zeit war, sich vom Bürostuten-Dasein zu verabschieden. Ich bin froh, dass ich nur zwei Gläser Prosecco hatte und sich nicht noch ein anderer Kater dazu gesellt. Nach einem Frühstück und einem Placebo-”Neue-Energie”-Tee geht’s weiter: Die Nussbäume haben ihr Laubkleid und natürlich sämtliche Nüsse abgeworfen. Ergo: “Zaumheign und Niss’ klaub’n”.

Bei Sonnenschein, mit Musik in den Ohren und von zufrieden schnatternden Gänsen umzingelt ist das beinahe eine meditative Tätigkeit. Ich bemühe mich, mein Kreuz mit einer Top-”Zaumheig”-Haltung zu schonen. Gelingt nur bedingt.
Eine Vermutung der ersten Tage bestätigt sich unter dem Nussbaum: Projekte dauern immer länger als gedacht – nicht nur im Büro, sondern auch auf dem Bauernhof. Denn es passiert garantiert etwas Unvorhergesehenes. Entweder bricht die Harke (sagen die Deutschen so zum “Heidl”?) beim Jäten, weil die dicke Wurzel einer Distel bis nach China wächst. Oder der Hühnerdreck ist viel hartnäckiger am Boden festgeklebt als vermutet. Oder die Nüsse sind schon halb im Matsch vergraben und lassen sich nicht so einfach aufheben. Oder ein orkanartiger Sturm macht in 5 Minuten eine Stunde “Zusammenkehrerei” wieder Zunichte. Was kann man da machen? Eh nix. Es nehmen wie’s ist und weitermachen – im Büro und am Bauernhof. C’est la vie, sagt der Franzose da mit einem Schulterzucken.
Bratlessen mit Eingeborenen
Wie eingangs erwähnt spielt bei workaway-Erfahrungen der Kulturaustausch eine große Rolle. Ich war daher sehr froh, als Astrid mir erzählte, dass wir am Samstag ein “Bratlessen mit Unbekannten” veranstalten würden. Drei treue Leserinnen ihres Blogs wurden dazu eingeladen und durften jeweils eine Person mitbringen. Das ist genau meins: gutes Essen und dabei neue Leute kennenlernen. Auch Astrid’s Freund Albert, gesellte sich zu uns. Er war an diesem Tag der Hahn im Korb und kam kaum mit dem Prosecco-Ausschenken hinterher.

Am Vormittag drehte sich alles um Semmelknödel-Vorbereitungen, Radi-Reiben und Kartoffelschälen. Danach weiht Astrid mich in die hohe Kunst des Holzofen-Einheizens ein und etwa zwei Stunden vor dem Eintreffen der Gäste schoben wir den Braten in die Röhre. (Muuahaha.)

Ich war ein bisschen nervös. Es war zu erwarten, dass mich die 5 Damen fragen würden, was ich hier mache. Ich hoffte, dass es nicht zu eigenartig erschien, dass eine 35-Jährige Salzburgerin ihren Bürojob schmiss, um unter anderem ein bisschen Abenteuerurlaub auf dem Bauernhof zu machen. Immerhin war für einige von ihnen der Hof keine spannende Ausnahmesituation sondern ihr tägliches Leben. Irgendwie kam es mir komisch vor, dass ich als “Städterin” hier eine Woche verbringe, bloß um mal zu wissen, wie das ist.
Wie meistens im Leben waren diese Zweifel völlig unbegründet. Alle fünf fanden das Konzept von workaway ziemlich cool und verstanden auch meinen Wunsch, nach einer Woche Landleben und körperlicher Arbeit als eine Art “Abwechslung”. So hatten wir einen lustigen Nachmittag mit Prosecco (hab’ ich das schon gesagt?) & Innviertler Bier, saftigem Schweinsbrat’l, interessanten Gesprächen und gefühlten tausend “Meeeei, der Alfred is’ so süüüüß!”-Ausrufen.
Time to say Good-bye
Time flies when you’re having fun. Nach einem gemütlichen Sonntag mit heftigem Sturm vor der Tür und entspannten Stunden in der kachelofengeheizten, katzenbevölkerten, nach Knödelpfanne duftenden Stube (Albert meinte, wir hätten “zu viele Semmelknödel” gemacht. Ich verstehe die Bedeutung dieser Worte nicht.) stand schließlich schon der letzte Arbeitstag vor der Tür. Ich nutzte die gesammelten Kräfte des Wochenendes dazu, im alten Hühnerstall eine Rattenfamilie zu delogieren. Außerdem hob mich Astrid in der Schaufel des Hoftracs in luftige Höhen, damit ich die Fruchtmumien am Marillenbaum abzwicken konnte.

Und dann war es schon wieder vorbei, das Bauernhof-Trainingscamp. Nach einer Woche bei der Mosauerin geht’s zurück in Salzburgs Kleinstadtdschungel… Mein Fazit: Das Landleben ist hart – aber wunderschön. Ich will auch sechs Katzen haben. Man kann 3 Mal täglich Semmelknödel essen (das wusste ich aber schon vorher).
Und in mir schlummert eine Bäuerin, die ich sicher bald wieder Landluft schnuppern lassen werde.
Edith