Da sei da sei

Jänner 2021

Gender Mainstreaming auf Innviertlerisch


Bis vor kurzem war alles noch anders. Wobei „kurz“ natürlich ein relativ relativer Begriff ist. Wenn man die Lebenserwartung einer Stallfliege hernimmt, bedeutet kurz einfach was anderes, als wenn man die verstrichene Zeit an der Amtszeit eines durchschnittlichen Innviertler Bürgermeisters misst. Und beides kann si zahn. Für alle Beteiligten.

Unser heutiges „kurz“ liegt irgendwo zwischen diesen beiden Dimensionen, abhängig davon, wo im Innviertel man sich befindet. Sie kennen sich also aus, wenn ich sage: „Vor kurzem war noch alles anders“. Es war diese Zeit, in der die Sommer noch endlos und wie damals waren und die Bauern noch urig wie in der Billa Werbung aussahen. Es war die Zeit, an denen zu Weihnachten noch Schnee lag und Kinder in die Schule*) gingen. Die Zeit, in der man nach fünf Bier zwar auch nicht mehr Auto fahren durfte, es aber dennoch konnte und Lüften in einem verrauchten Wirtshaus schwerste Empörung hervorrief. Die gute alte Zeit!

Die Zeit, in der man sich einfach auskannte.

Gut, es gab auch verwirrende Momente. Wenn zum Beispiel ein Mann zum Notar ging und ihm mitteilte „Er is hoamgonga“ und dabei die Parte seiner Frau vorlegte. Oder wenn im Wirtshaus von „da sei da sei“ die Rede war. Oder etwas „eam“ gehört hat und „ea“ es an sich nahm, es sich dabei aber um die Mama handelte. Zeiten, in denen es im Innviertel nur ein Personalpronomen gab. Und das war männlich.

Und dann waren da auf einmal auch Frauen in der Sprache! Plötzlich ist „sie hoamgonga“, wenn die Frau verstarb. Der Mann einer Frau war plötzlich „da ira da sei“ und Dinge gehörten „ira“ und „sie“ nahm sie an sich, weil es sich um die Mama handelte. Und auf einmal kannten sich alle aus! Sappalott, wie praktisch war das denn! Sie und er. Ira und eam.  Irs und seis. Oder wie ich es nenne: Gender Mainstreaming auf Innviertlerisch.

*) „Schule“ ist dieses größere graue Haus, in dem meist Wahlen stattfinden

Erschienen in den Oberösterreichischen Nachrichten in der Rubrik Unser Innviertel

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