April 2022
I love my Garten.

Hinter einem anständigen Zaun einen säuberlich geschnittenen Rasen, geordnete Blumenrabatte und formale Hecken. Ja, so stellen wir uns einen ordentlichen Garten vor. Und so stressen wir uns mit Rasen mähen, Unkraut zupfen und Hecke trimmen. Dabei täte uns allen so ein Garten der Gelassenheit gut. Und besser fürs Karma wär er auch.
Ich weiß ja nicht, ob Sie in letzter Zeit mal durch Weidenthal gekommen sind. Wenn Sie dabei vielleicht sogar einen Blick in meinen Garten riskiert haben, haben Sie wahrscheinlich festgestellt: „D‘ Mosauerin hat aber ah a schene Wix.“ Damit haben Sie recht. Weder ist bei mir das Gras geschnitten, sind die Brennnessel ausgerissen oder das Altholz verräumt, noch sind die Erd- und Sandhügel weggefahren und schon gar nicht ist das Hochbeet zumindest halbwegs Social Media tauglich hergerichtet. Das macht aber nix. Also das macht MIR nix. Und der Natur schon gar nicht. Im Gegenteil. Wir sehen das gelassen.
Die Natur liebt solche geschlamperten Gärten wie den meinen und wünscht sich insgeheim mehr davon. Sie sind ihre Rückzugsorte in den Agrarwüsten geworden. In diesen wilden Gärten naschen die dicksten Hummeln von den Taubnesseln, befruchten friedliche Mauer- und Erdbienen die Beeren und Bäume, laben sich Häuserschnecken an abgestorbenen Pflanzenzeilen und Tigerschnegl an Nacktschnecken, geben sich faszinierende Spinnen und tollkühne Grashüpfer ein Stell dich ein mit fetten Wanzen und schillernden Käfern und sind doch gleichzeitig Nahrung für putzige Igel, quakende Kröten und andere faszinierenden Amphibien. Im hohen Gras können Bodenbrüter und in dichten Laubhecken andere Vögel ihren Nachwuchs sicher aufziehen und unter uns: gibt es viele Insekten, tut man mehr für alle Vogelarten als mit der Winterfütterung.
Und das Beste an so einem Garten ist, man muss gar nicht viel tun dafür. Mit ein bisschen mehr „Ge, lass es heit“ kommt man ganz easy zu einem Garten der Gelassenheit. Und wenn sich dann doch ihr Nachbar an der wilden Wiese und ihre Nachbarin an den Brennnesseln stört denken sie sich einfach: „Ge, lass sie halt“. Nachts schmeißen sie ihnen einfach die letzte verbliebene Nacktschnecke in ihr Social Media taugliches Hochbeet. Karma sieht nicht alles.
Erschienen in den Oberösterreichischen Nachrichten in der Rubrik Unser Innviertel