Dezember 2021
Wehe!

Solange ich zurückdenken kann, wird jedes Jahr bei uns im Freundes- und Bekanntenkreis den ganzen Advent lang mit dem Satz gedroht: „Aber heuer schenken wir uns wirklich nur eine Kleinigkeit!“ Natürlich wissen wir alle, dass es auch heuer nicht nur eine Kleinigkeit geben wird, denn das mit den Geschenken läuft einfach zu schnell aus dem Ruder.
Ein Geschenk ist ja nicht einfach nur ein Geschenk. Mit einem Geschenk schenkt man als Extra ja gleich noch einen riesigen Haufen an gesellschaftlichen Erwartungen mit: Man verpflichtet den Beschenkten zu einem mindestens gleichwertigen Gegengeschenk. Ein kleineres Geschenk zurück zu schenken geht auf keinen Fall, außer man legt es drauf an, etwas auszudrücken. Um nicht mal den Anschein zu machen, wird das Gegengeschenk dann sicherheitshalber doch noch ein wenig größer, teurer oder schöner als es eigentlich müsste. Was dann aber wiederrum…, ach Sie wissen, worauf ich hinauswill: sowas kann einfach schnell eskalieren!
Aber nicht nur der Umfang und Wert eines Geschenks sind eine irrsinnig komplexe Angelegenheit, sondern auch die jeweiligen Reaktionen des Beschenkten und des Schenkenden auf den Schenkungsvorgang. Der einzig akzeptable Satz im Innviertel für Beschenkte bei jedem noch so oreidigen Geschenk ist der Ausruf „Meiiii, des hets jo (wirkli) net braucht,“ der sowohl „Was soll ich mit dem Glumpat anfangen“ als auch „Ich bin überwältigt ob deiner Großzügigkeit“ bedeuten kann. Die gesellschaftlich einzig mögliche Antwort: „Owa geh, des hat ja leicht sei megn“ kann wiederum heißen: „Ich hätte ja noch viel mehr Geld ausgegeben für dich, würde ich es mir leisten können“ aber natürlich auch „Das Trum ist noch irgendwo am Dachboden im Weg herumgestanden.“ Weil ich ja mehr so eine direkte bin und ich NIE checke, was gerade gemeint ist, habe ich mit dem Meinigen daher einfach beschlossen: heuer schenken wir uns mal nichts.
Und wehe ich krieg nix G’scheits!
Erschienen in den Oberösterreichischen Nachrichten in der Rubrik Unser Innviertel